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Radioligandentherapie

In der Krebsbehandlung gibt es viele Fortschritte, doch für viele Menschen stehen noch immer keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dies gilt insbesondere für aggressive oder seltene Krebsarten. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit für manche Betroffene ist die Radioligandentherapie.

Was ist ein Radioligand?

Der Begriff „Radioligand“ setzt sich aus dem lateinischen Wort „radio“ für Strahl und dem Wort „ligare“ für binden zusammen. Man könnte einen Radioliganden daher auch als bindende Strahlung bezeichnen.

Doch wie genau ist so ein Radioligand aufgebaut und warum strahlt dieser? Um das zu erklären, müssen wir zuerst die Bestandteile eines solchen Radioliganden beleuchten. Ein Radioligand besteht aus zwei Teilen, einem Radionuklid und einem Liganden, d.h. einer Substanz, die an ganz bestimmte Bestandteile auf der Oberfläche der Zellen binden kann.

Radionuklid

Ein Radionuklid ist ein instabiles Atom. Das bedeutet, dass es sich im Laufe der Zeit verändert und dabei Energie in Form von Strahlung abgibt. Diese radioaktive Strahlung kann man sich wie winzige, unsichtbare Teilchen vorstellen, die vom Atom ausgesendet werden. Dieser Prozess wird auch als radioaktiver Zerfallsprozess bezeichnet.

Man kann es sich wie einen Turm aus Bauklötzen vorstellen. Ein Radionuklid ist wie ein Turm, der nicht ganz stabil ist und irgendwann zusammenfällt. Wenn der Turm zusammenfällt, fliegen die Bauklötze in alle Richtungen – so wie die Strahlung beim Zerfall des Radionuklids

Diese radioaktive Strahlung kann verschiedene Formen haben:

  • Alphastrahlung: Diese Strahlung besteht aus größeren Teilchen, die nur kurze Strecken zurücklegen und leicht von Papier oder Haut gestoppt werden können.
  • Betastrahlung: Diese Strahlung besteht aus kleineren Teilchen, die weiter fliegen und etwas stärker sind als Alphastrahlung. Sie können durch Papier hindurch, aber werden durch dickere Materialien wie Metall gestoppt.
  • Gammastrahlung: Das ist eine sehr starke und durchdringende Strahlung, die durch viele Materialien hindurchgeht und nicht gestoppt wird. Nur sehr dicke oder schwere Materialien wie Blei blockieren diese Strahlung.

Radionuklide kommen in der Natur vor, können aber auch künstlich hergestellt werden.

Ligand

Ein Ligand ist wie ein Schlüssel, der in ein bestimmtes Schloss passt. In der Biologie ist dieses “Schloss” oft eine bestimmte Struktur auf der Oberfläche einer Zelle. Wenn der Schlüssel ins Schloss gesteckt wird, kann die Tür geöffnet werden, d.h. wenn der Ligand an die Struktur auf der Zelle bindet, kann das eine Reaktion in der Zelle auslösen, ähnlich wie das Öffnen einer Tür. Die Reaktion der Zelle unterscheidet sich je nachdem welcher Ligand an welche Zellstruktur bindet. Es können z.B. die Ausschüttung von bestimmten Stoffen aus der Zelle, aber auch Vorgänge wie der Tod der Zelle ausgelöst werden.

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Radioligand

Ein Radioligand ist das Ergebnis einer Verbindung von einem radioaktiven Radionuklid zusammen mit einem Liganden.

Radioliganden werden in der Wissenschaft und in der Medizin benutzt. Sie kommen z.B. bei bestimmten Untersuchungen in den Klinikabteilungen Radiologie und Nuklearmedizin zum Einsatz. Bei bildgebenden Verfahren wie z.B. der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) werden visuelle Darstellungen von Körperstrukturen und -funktionen angefertigt. Radioliganden helfen hierbei die jeweiligen Ziele im Körper darzustellen. Der Ligand bindet an das Ziel (z.B. eine Tumorzelle) und das Radionuklid sendet Strahlung aus, die vom Scanner des PET-Gerätes erkannt wird. So entsteht ein präzises Bild der betroffenen Region.

Wie werden Radioliganden bei der Behandlung von Erkrankungen eingesetzt?

Radioliganden werden zum einen in der Diagnostik von bestimmten Erkrankungen eingesetzt. Bei Krebserkrankungen können sie bei bildgebenden Verfahren helfen, den Tumor und mögliche Verbreitungen des Tumors im Körper (sog. Metastasen) sichtbar zu machen.

Zum anderen gibt es einen Ansatz Radioliganden direkt zur Behandlung von Krebserkrankungen einzusetzen. Diese Art von Behandlung nennt man Radioligandentherapie.

Radioligandentherapie

Wirkweise

Was ist das Prinzip der Radioligandentherapie?

Die Radioligandentherapie ist eine moderne Form der Krebstherapie, bei der die radioaktive Strahlung der winzigen Radioliganden gezielt eingesetzt wird, um Krebszellen im Körper zu zerstören.

Sobald der Radioligand in den Körper gelangt, bindet er gezielt an Zellen auf deren Oberfläche vermehrt bestimmte Merkmale zu finden sind. Bei der Krebstherapie sind das in der Regel Krebs- bzw. Tumorzellen. Der radioaktive Bestandteil des Radioliganden gibt dabei seine Strahlung zielgerichtet an die Krebszelle (und in geringem Maße an die umgebenden Zellen) ab. Die Krebszelle wird so nun der radioaktiven Strahlung ausgesetzt. Diese wirkt direkt auf die Krebszelle und zerstört sie von innen heraus. Das umliegende gesunde Gewebe bleibt weitgehend unberührt.

Wie töten Radioliganden Zellen ab?

Nachdem der Radioligand an die Krebszelle gebunden hat, bleibt er entweder an der Zelloberfläche oder wird von der Zelle aufgenommen.  Der radioaktive Bestandteil des Radioliganden gibt radioaktive Strahlung ab. Diese Strahlung ist meist eine sogenannte Betastrahlung, die nur eine sehr kurze Reichweite hat. Dadurch wirkt sie hauptsächlich auf die betroffene Zelle. Die Strahlung schädigt das Erbgut (DNA) der Krebszelle. Das hat zur Folge, dass sich die Zelle nicht mehr teilen kann und abstirbt. Dieser Prozess wird als „zelluläre Apoptose“ oder „programmierter Zelltod“ bezeichnet. Da die Strahlung nur in unmittelbarer Nähe wirkt, wird das umliegende gesunde Gewebe kaum beeinträchtigt.

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Ablauf

Vor Beginn der Behandlung mit Radioliganden

Bevor die Radioligandentherapie beginnt, wird sorgfältig geprüft, ob sie für die jeweilige Patientin oder den jeweiligen Patienten geeignet ist. Dabei geht es vor allem um zwei Fragen:

Kann die Therapie wirken?

Dafür wird untersucht, ob die Krebszellen im Körper bestimmte „Andockstellen“, d.h. Strukturen auf ihrer Oberfläche haben, an die der Radioligand binden kann. Um das festzustellen, wird meist eine spezielle Bildgebung durchgeführt – zum Beispiel eine PET/CT-Untersuchung mit einem schwach radioaktiven Stoff. Nur wenn diese Strukturen vorhanden sind, kann die Therapie gezielt wirken.

Lässt der Allgemeinzustand des Patienten / der Patientin die Therapie zu?

Es wird ein umfassender Gesundheitscheck gemacht. Blutuntersuchungen geben Aufschluss über die Funktion von Leber und Nieren (wichtig für die Verarbeitung und Ausscheidung des Wirkstoffs) sowie über das Blutbild (z. B. Anzahl der weißen und roten Blutkörperchen).

Nach Auswertung und Besprechung der Ergebnisse folgt ein ausführliches Aufklärungsgespräch. Dabei wird erklärt, wie die Therapie abläuft, welche Nebenwirkungen möglich sind und worauf man achten sollte. Erst danach wird eine schriftliche Einwilligung zur Behandlung gegeben. Wenn alles passt, wird anschließend ein individueller Behandlungsplan erstellt mit Startdatum und Anzahl der geplanten Sitzungen.

Behandlung

Da es sich bei der Radioligandentherapie um eine Behandlung mit radioaktiven Stoffen handelt, wird diese in einer spezialisierten Klinikabteilung durchgeführt, der Nuklearmedizin.

Der Radioligand wird über eine Infusion in die Vene verabreicht. Die Infusion dauert meist nur wenige Minuten bis etwa eine halbe Stunde. Nach der Verabreichung verteilt sich der Radioligand über das Blut im Körper. Nach der Infusion bleibt die Patientin oder der Patient mindestens zwei Tage zur Beobachtung in der Klinik. Dabei wird geprüft, ob Nebenwirkungen auftreten und wie der Körper auf die Behandlung reagiert.

Die Radioligandentherapie wird in der Regel öfters gegeben, d.h. in mehreren Zyklen durchgeführt. Zwischen den Gaben liegen Pausen von mehreren Wochen. Die genaue Anzahl der Gaben und der Abstand der Behandlungen hängen vom individuellen Krankheitsverlauf und der jeweiligen Therapie ab.

Um zu überprüfen, ob und wie gut die Radioligandentherapie wirkt, können in regelmäßigen Abständen bildgebende Untersuchungen durchgeführt (z.B. PET/CT, SPECT) werden. Mit diesen kann man sehen, ob der Radioligand die Krebszellen erreicht und wie sich der Tumor verändert hat.

Nach der Behandlung – was ist zu beachten?

Nach der Gabe von Radioliganden müssen bestimmte Vorsichtsmaßnahmen beachtet werden, weil der Körper des Patienten bzw. der Patientin für kurze Zeit radioaktive Substanz ausscheidet. Diese Strahlung kann andere Menschen gefährden – vor allem Kinder, Schwangere oder Personen, die engen körperlichen Kontakt haben. Für einige Tage nach der Therapie sollten folgende Hygiene- und Verhaltensregeln beachtet werden:

  • tägliches Duschen
  • getrenntes Waschen von Kleidung und Bettwäsche
  • sorgfältige Toilettenhygiene
  • Vermeiden von engem Kontakt
  • Ausreichend Trinken, um die radioaktive Substanz schneller auszuscheiden
RLT | Novartis - Klinische Forschung - Person wäscht sich Hände mit Seife unter laufendem Wasser

Radioligandentherapie: Risiken und mögliche Nebenwirkungen

RLT | Novartis - Klinische Forschung - Ärztin bespricht Ergebnisse mit Patienten

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Wie bei jeder medizinischen Behandlung kann es auch bei der Radioligandentherapie zu Nebenwirkungen kommen. Diese entstehen, wenn die Strahlung nicht nur Krebszellen, sondern auch umliegendes gesundes Gewebe beeinflusst. Die Art und Stärke der Nebenwirkungen hängen unter anderem davon ab, in welchem Organ sich der Tumor befindet bzw. welche Art von Krebs behandelt wird, wie hoch die Strahlendosis ist und wie der allgemeine Gesundheitszustand der Patientin oder des Patienten ist.

Häufige Nebenwirkungen sind:

  • Müdigkeit
  • Übelkeit und Erbrechen (besonders bei Behandlungen im Bauchraum)
  • Hautveränderungen: Rötung, Trockenheit oder Reizung an der Einstichstelle oder im Bereich der Strahlung.
  • Haarausfall
  • Veränderungen im Blutbild (z. B. Abnahme der weißen Blutkörperchen, was zu erhöhtem Infektionsrisiko führen kann).

Es können auch Nebenwirkungen auftreten, die die Funktion bestimmter Organe beeinflussen:

  • Magen-Darm-Trakt: Durchfall, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit
  • Blase und Harnwege: Häufiger Harndrang, Brennen beim Wasserlassen
  • Geschlechtsorgane: Vorübergehende oder dauerhafte Fruchtbarkeitsstörungen
  • Knochenmark: Bei wiederholter Behandlung kann es zu einer Beeinträchtigung der Blutbildung kommen

Spätfolgen der Behandlung sind selten, aber möglich. Dazu zählen hormonelle Veränderungen, Organschäden oder das Entstehen neuer Tumore (sekundäre Tumore). Diese Spätfolgen hängen stark von der behandelten Körperregion und individuellen Faktoren ab. Der Großteil dieser Nebenwirkungen tritt meist nur vorrübergehend auf und hören nach Beendigung der Radioligandentherapie wieder auf.

 

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